Das prachtvolle Esfahan

5 Okt

Bevor wir in der Stadt eintrafen, entschieden wir uns dazu in einem Hostel zu übernachten und den Luxus zu genießen, jederzeit duschen zu können. Hier trafen wir auch eine gemischte Reisegruppe von vier Russen, mit denen wir den ersten Abend verbrachten und unter der Sio-Se-Pol-Brücke flannierten, da der Fluss ausgetrocknet ist.

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Da wir uns den großen Platz im Zentrum Esfahans als Schmankerl für den letzten Tag aufheben wollten, ließen wir uns am Morgen des darauf folgenden Tages von einer Germanistik studierenden Fremdenführerin die um das Zentrum verteilten Sehenswürdigkeiten zeigen. Hier ein kleiner Ueberblick:

Der wahrscheinlich beste Grund Esfahan zu besuchen, ist der Naghsh-i-Jahan- oder Imam-Platz, der nicht nur aufgrund seiner unübertroffenen Größe von 508m x 160m als eine der größten Sehenswürdigkeiten im vorderen Orient gilt und zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. An jeder Seite des vielfältig bebauten Platzes (der König ließ ihn vor der Revolution auch gern mal für eine Partie Polo räumen) befindet sich eine herausragende Sehenswürdigkeit.

Hier stehen wir auf dem Ali-Qapu-(Hohe-Pforte-)Palast und blicken auf die Imam-Moschee im Süden, in der das Freitagsgebet abgehalten wird und die als eines der größten Meisterwerke der iranischen Architektur gilt. Sie ist wie viele Dinge vor der Revolution noch dem König geweiht gewesen und hieß demnach früher Königs-Moschee.

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Gegenüber des Palazzos auf der Ostseite des Platzes befindet sich das nächste UNESCO Weltkulturerbe, die Scheich-Lotfollah-Moschee aus der Safawidenzeit, welche der Überlieferung nach als königliches Betshaus genutzt wurde. Erstaunlich hierbei ist, dass sie aus ungeklärten Gründen im Gegensatz zu allen schiitischen Moscheen über keine Minarette verfügt und um 45° versetzt zum Platz steht. Der Innenraum und speziell das Deckengewölbe gehörten für uns zu den schönsten, die wir auf der Reise entdecken durften.

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Der Norden des Platzes wird, wie sollte es für ein orientalisches Stadtzentrum anders sein, durch den Basar begrenzt. Jeder Basar im Iran scheint sich neben dem allgemeinen Teil, wie Kleidung oder Gewürzen, auf eine besondere Handwerkskunst spezialisiert zu haben, die in diesem Fall die Kupferverarbeitung darstellt. In den vielen Gässchen und Winkeln gibt es ein ständiges Klopfen, Hämmern und Gießen.

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Auch populär sind die aufgrund der erhöhten Touristenanzahl etablierten Teppichhändler, die mit ihren listigen Lockvögeln und ihrer eloquenten Art auch uns beinahe zu mehr als einem Tee überredet hätten.

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Wenngleich wir keinen Teppich aus dem Laden des Händlers mitnahmen, gingen wir nicht ohne ein Vordiplom in Teppichkunde. Wir unterscheiden jetzt grundsätzlich zwischen Stadt- und Nomadenteppichen. Letztere sind meist kostbarer und im wesentlichen kleiner oder zumindest im Gegensatz zu den Stadtteppichen in ihrer Größe durch drei Faktoren begrenzt: Sie werden von einer einzelnen Frau innerhalb von sechs Monaten in einem Nomadenzelt gefertigt. Ihre natürliche Färbung erhalten sie durch Farbstoffe wie Safran, Henna, Mohn oder Wurzeln, welche die Nomaden in der jeweiligen Region vorfinden. Kenner wissen es zu schätzen und sind unterbewusst beruhigt, auf einem Teppich zu stehen, dessen Rand mit Ziegenhaar gekettelt ist. Sie wissen sofort, dass es nicht irgendein iranischer Teppich ist, sondern dass es ein ostpersischer Teppich sein muss, und dass sie hier vor Schlangen, die eben nur dort vorkommen, sicher sind, da diese das rauhe Ziegenhaar meiden wie Katzen das Wasser.

Unweit der Teppichhändler wollten wir uns nach so viel geistiger Beanspruchung beim Mittagessen ausruhen und ein iranisches Nationalgericht namens Dizi ausprobieren, welches wir vorsichtshalber und nur als Vorspeise bestellten. Es handelt sich um eine harmlos aussehende Suppe, die in einem unglaublich heißem Steintopf serviert wird. Das Gericht ist für den Laien so langweilig wie es scheint: 500ml Suppe, eine viertel Tomate, eine Hand voll Kichererbsen und zwei oder drei Stücke Suppenfleisch. Dass die Küche nur die halbe Arbeit gemacht hat und die Limetten und der Stößel speziell für das Dizi und nicht das Mittagessen allgemein (oder vielleicht nicht-alkoholische Caipirinhas) bestimmt waren, war uns in dem Moment nicht klar, und dieses Rätsel wurde auch nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern erst später auf der Reise in Shiraz, gelöst.

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Hier mussten wir das vermeintlich langweilige Gericht erneut mangels Alternativen bestellen und ein  Einheimischer, der Mitleid mit uns empfand, hielt uns zum Glück davon ab, das Dizi erneut als Suppe zu löffeln und belehrte uns eines Besseren: Zunächst verbrennt man sich die Finger an dem Steintopf, obwohl man einen Lappen – oder wenn nicht vorhanden Brot – um das Gefäß geschlungen hält und gießt die erste Hälfte der Brühe in das Schälchen, aus dem man zuvor die Limetten und den Stößel genommen hatte. Dabei vergießt man unweigerlich die andere Hälfte neben das Schälchen, wobei man hier die Wahl zwischen dem Tisch, dem eigenen oder dem Schoß eines Sitznachbarn hat, da die Steingefäße nie Münder zum ausgiessen haben. Dann greift man zum Stößel und zermatscht den Bodensatz (Tomate, Kichererbsen und Fleisch) zu einem Brei, während man sich nach Belieben weiterhin die Finger verbrennen und das Püree mit Limetten abschmecken kann. Das verwendete Brot wird nun in mundgerechte Stücke zerrissen und in die Brühe geworfen. Et voilà – es ist angerichtet! Nach so viel harter Arbeit kommt man in den Genuss dieses tatsächlich schmackhaften Nationalgerichts und kann das Püree und die Brotsuppe endlich verzehren. Natürlich wünschten wir uns nach vielen verbrannten Fingern und Schenkeln, dass das Gericht auch fertig zubereitet serviert würde aber wir waren auch insgeheim stolz darüber, dass wir uns mit der Kenntnis über die Zubereitung so wunderbar in einem traditionellem Restaurant assimilieren konnten.

Obwohl das Mittagessen oder vielmehr das damals noch als Suppe identifizierte „Do it yourself-Dish“ ein Reinfall war, konnten wir der Situation doch etwas positives abgewinnen: Wir lernten zwei aufgeschlossene Iranerinnen vom Nachbartisch kennen, die uns prompt für den Abend zum Picknick mit ihrer Familie im Park einluden. Natürlich folgten wir der Einladung und trafen uns zunächst in dem hippen Viertel der Stadt, in dem auch die armenische Vank-Kathedrale steht. Auf dem Weg zum Park liefen wir eine Weile und konnten durch das Flussbett des ausgetrockneten Flusses laufen. Dabei mussten wir aufpassen, dass die Polizei nicht auf uns aufmerksam wurde, da es sich überhaupt nicht gut macht, wenn sich Jungs und Mädels gemeinsam auf der Strasse, geschweige denn in Flussbetten zeigen. Im Rahmen der Familie und beim Picknick war das wieder anders und doch wurden alle still und keiner lachte mehr ausgelassen als die Moralpolizei den Park patroullierte. Dennoch war unser erstes Picknick bei Mitternacht traumhaft und ein Paradebeispiel für die iranische Gastfreundschaft! Wir wurden herzlichst begrüßt und waren froh, Bekanntschaft mit Iranern zu machen, die so gut Englisch sprechen konnten, dass man nach langer Zeit wieder frei von sprachlichen Barrieren Konversation betreiben konnte. Über die Sättigungsgrenze hinaus gefüllt mit den besten Falafel-Sandwiches der Stadt, wurden wir sogar noch zurück in unser Hostel gefahren, wo wir am nächsten Morgen in Richtung Shiraz, gemeinsam mit den Russen, die wir zuvor kennengelernt hatten, aufbrachen. Ein toller Abschluss für eine so tolle Stadt.

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